Herrmann zum neuen Bayerischen Verfassungsschutzgesetz
München, 07.07.2016Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zum neuen Bayerischen Verfassungsschutzgesetz: Neue Bedrohungen erfordern moderne Handlungsinstrumente
+++ Der Bayerische Landtag hat heute in zweiter Lesung das neue Bayerische Verfassungsschutzgesetz gebilligt. Das Gesetz tritt zum 1. August 2016 in Kraft. „Der Bayerische Verfassungsschutz wird mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet, um auch auf neue Bedrohungen angemessen reagieren zu können“, so Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Damit müsse notwendigerweise auch eine personelle Stärkung des Verfassungsschutzes einhergehen: „Wir haben deshalb das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz 2015 nochmals um 20 Stellen verstärkt sowie im Nachtragshaushalt 2016 um weitere 97 Stellen“, so Herrmann. +++
Nach den Worten des Bayerischen Innenministers ist es vor allem dringend notwendig, auf das veränderte Kommunikationsverhalten von Extremisten und Terroristen reagieren zu können: „Sie verwenden zumnehmend moderne Kommunikationsmittel und soziale Netzwerke. Mit dieser Entwicklung müssen Nachrichtendienste Schritt halten können.“ Über 70 Prozent der Telekommunikationsinhalte werden mittlerweile verschlüsselt übermittelt. Für die Aufdeckung terroristischer Anschlagsplanungen sei es deshalb entscheidend, die Telefongespräche der Attentäter bereits vor der Verschlüsselung abhören zu können. Das ermögliche etwa die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung.
Aufgrund fortschreitender Verschlüsselungstechnik müsse der Verfassungsschutz darüber hinaus jedoch auch auf andere Weise Erkenntnisse gewinnen können, etwa Informationen darüber, wer mit wem, wann und auf welchem Weg gesprochen habe, so Herrmann. Das ermöglicht nun die Befugnis, auf Verkehrsdaten von Telefongesprächen zugreifen zu können. Das sind Daten, die Auskunft geben über die an einer Verbindung beteiligten Anschlüsse, über die Zeit, zu der die Telekommunikation gefunden hat und bei mobiler Kommunikation über die Orte, von denen aus kommuniziert worden ist. Herrmann: „Bayern ist das erste Bundesland, das dem Verfassungsschutz den Zugriff auf diese Daten einräumt. Voraussetzung dafür ist, dass in jedem Fall die G10-Kommission des Bayerischen Landtags vor Durchführung einer solchen Maßnahme zustimmt.“ Die Telefongesellschaften müssen die Daten für einen Zeitraum von mindestens zweieinhalb Monaten speichern. Mit der Befugnis für die sogenannte Funkzellenabfrage kann außerdem festgestellt werden, welche Personen sich zusammen an einem bestimmten Ort aufgehalten haben.
„Erstmals schaffen wir auch einen gesetzlichen Rahmen für die Auswahl und den Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten“, so Herrmann. Im Wesentlichen übernehme das neue Gesetz die Vorgaben des Bundesverfassungsschutzgesetzes, das der Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition Ende 2015 verabschiedet hatte. Herrmann trat damit gleichzeitig Befürchtungen entgegen, dass die Regelungen zum Einsatz von verdeckten Ermittlern und V-Leuten unverhältnismäßig ausgeweitet werden: „Wir legen hier dieselben Kriterien für die Auswahl und Eignung wie der Bund zugrunde. Straftäter, die wegen eines Verbrechens oder zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wurden, kommen regelmäßig für eine solche Tätigkeit nicht in Betracht.“
Neu ist ferner die Regelung, dass Informationen unabhängig vom Alter der Personen gespeichert werden dürfen. „Denn Radikalisierung ist keine Frage des Alters. Das zeigt der erschreckende Fall einer 15-Jährigen, die am 26. Februar 2016 in Hannover eine Messerattacke mit islamistischem Hintergrund auf einen Bundespolizisten verübt hat. Auch auf solche verfassungsfeindlichen Aktivitäten müssen die Sicherheitsbehörden reagieren können“, so Herrmann. Bislang durften Daten über Minderjährige erst ab Vollendung des 14. Lebensjahres erfasst werden.
Eine Kontrolle der Aktivitäten des Verfassungsschutzes gewährleisten dabei verschiedene Gremien: Die Dienst- und Fachaufsicht führt das Innenministerium. Das Parlamentarische Kontrollgremium aus sieben Landtagsabgeordneten überwacht die Arbeit der Behörde. Die G10-Kommission aus drei Mitgliedern des Landtages überprüft die Zulässigkeit von Maßnahmen, die in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis eingreifen. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz kontrolliert die Erhebung und Verwendung von Daten durch den Verfassungsschutz. Die Finanzkontrolle obliegt dem Bayerischen Obersten Rechnungshof. Darüber hinaus unterliegen die Maßnahmen des Verfassungsschutzes der richterlichen Überprüfung.